Früher galt, wer gewählt werden will, muss an Sportveranstaltungen auftreten, Hände schütteln und Pokale übergeben. Heute sind die Sportfans selbst zum Politikum geworden. Die politischen Parteien des Landes stehen praktisch geschlossen hinter der Idee des Kombitickets. Diese Idee verlangt, dass nur jener Fan (Fussball- und Eishockeyspiele) einen Zutritt zum Gästesektor erhalten soll, der auch gleichzeitig ein Ticket für den Extrazug gelöst hat. Diese Extrazüge sollen dann auch gleich noch von den Vereinen selbst gechartert werden. Im Sport soll es also nicht anders sein, als im richtigen Leben. Wegen des zu verurteilenden Verhaltens weniger, wird eine grosse Masse abgestraft und die Fankultur in Frage gestellt.
Was aus der Sicht der Parlamentsstuben toll aussieht, wird in der Realität nicht funktionieren respektive die Fankultur in den Stadien verändern. Wieso?
Dazu muss man erstmal die Bedeutung des Gästesektors verstehen. Dies ist der Platz jener Gästefans, welche ihren Klub – egal wie dieser resultatmässig gerade dasteht – unterstützen. Diese Fans bilden den Grundstock jedes Vereins. Sie sorgen für die Stimmung, welche das Spiel auf dem Rasen nicht zu einer bloss technischen Angelegenheit um Punkte, sondern zum Erlebnis machen. Sie bringen die Ambiance in ein Stadion, welche die anderen Fans mitziehen lässt und dafür sorgt, dass ein Spiel auch zuhause am TV zum Erlebnis wird und dem Mythos jedes Vereins ausmachen. Wer schon mal in der Curva Nord der Resega, der Südkurve im Letzi oder in der Muttenzerkurve im Joggeli gestanden hat, weiss wovon ich spreche. Hier werden Fans geboren, hierhin möchte jedes Kind, dass nach dem ersten Matchbesuch seines Vereins an der Hand des Vaters vom Virus gepackt wurde, einmal stehen. Nirgends ist die Liebe und die Verbundenheit zu seinem Klub grösser. Das innere Feuer, welches in diesen Kurven entfacht wird, nimmtman später auch mit, wenn man angesichts seines gesetzten Alters an anderen Orten im Stadion Platz nimmt. Die Kurven sind auch der Grund, wieso diese Fans ihre Mannschaft an den Auswärtsspielen im Gästesektor unterstützen möchten. Wenn dieser leer bleibt, wie bereits einige Male bei Duellen zwischen dem FCZ und dem FCB, dann verkommt ein Fussballspiel zu einer trostlosen Angelegenheit. Das schadet dem Sport, mindert die Einsatzbereitschaft der Spieler (bewusst oder unbewusst) und macht das Spiel schlussendlich langfristig auch für den normalen Fan weniger attraktiv.
Das Kombiticket mag die Sachbeschädigungen und Gewalt am Rande der Fussballspiele sowie die Zerstörung der Extrazüge vielleicht ein wenig reduzieren. Aber was erhalten wir dafür im Gegenzug?
In der kleinräumigen Schweiz stammt längst nicht jeder Fan eines Klubs aus der Stadt seines Klubs. Bei Auswärtsspielen muss er entweder den Umweg über den Hauptbahnhof seines Klubs machen (was Mehraufwand bedeutet und grotestk anmutet) oder er verzichtet auf den Besuch des Spiels oder den Eintrit in den Gästesektor. Zudem besteht die Gefahr, dass Fussball- und Eishockeyspiele künftig unter Ausschluss der Gästefans stattfinden, weil diese das Kombiticket einfach ablehnen. Das dies nicht nur der Stimmung in den Stadien schadet, sondern zu finanzielle Einbussen für viele Heimklubs führt, liegt auf der Hand. Gerade in der Schweiz sind aber die Zuschauereinnahmen ein wesentlicher Teil eines Vereinsbudgets. Zudem könnte diese Idee kurzfristig zu einer Zerstreuung der Gästefans auf andere Sektoren führen, was der Sicherheit in den Stadien genausowenig dienlich ist wie der Stimmung. Soll dies dann durch Polizeigewalt verhindert werden, wären wir in der Frage der Gewalt im Sport keinen Schritt weiter!
Es ist zu hoffen, dass die Politik diese Thema entpolemisiert und vernünftige, in der Realität umsetzbare, Lösungen findet, welche die Interessen der Fankultur und der Sicherheit unter einen Hut bringen. Dabei soll auch an die Vernunft aller Parteien (und hier sind nicht die politischen gemeint) appelliert werden. Der Sport hat keine Lobby, Fankurven schon gar nicht, weshalb sich auch jene Fans wehren sollten, welche nie einen Gästesektor besuchen. Wehret den Anfgängen, bevor die Emotionen – wie in vielen amerikanischen Sportstadien – nur noch aus den Lautsprechern kommen und die Stadionorgel die verbliebenen Matchbesucher zu einem rhythmischen Klatschen animiert.
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