Sind Sportjournalisten besser Menschen?

1 05 2008

Jetzt wo die Weltwirtschaft kriselt, Spekulanten und Rohstoffknappheit die Preise in die Höhe treiben und börsennotierte Firmen um die Gunst der Anleger streiten, zeigen sich die unangenehmen Seiten des Kapitalismus. Die Analysten übernehmen das Zepter. Sie loben oder strafen die Unternehmensbosse Quartal für Quartal. Knallhart, schonungslos und scheinbar ohne Skrupel. Sind Sie deswegen schlechte Menschen?

Sportjournalisten scheinen auf den ersten Blick, die bessere Ausgangslage zu haben. Stellenabbau, rote Zahlen und Mindestlöhne kümmern in der Welt des Sports nur Wenige. Und schon gar nicht bei der „schönsten Nebensache“ der Welt, dem Fussball. Aber halt, schauen wir doch mal genauer hin. Hinter der scheinbar heilen Fassade zeigt sich, dass so nebensächlich der Fussball nicht ist. Sportjournalisten treffen meist weit kurzlebigere Entscheidungen als Analysten. Woche für Woche wird knallhart Bilanz gezogen. Die Tabelle ist wie ein Aktienboard. Siege steigern die Erwartungen, bei Niederlagen wird der Anfang vom Ende prognostiziert. Als Zuschauer akzeptieren wir das. Ja, es macht sogar Spass, gerade wenn man Fan der einen oder anderen Mannschaft ist. Das wöchentliche Auf und Ab, die Lobeshymnen und vernichtende Kommentare steigern die Lust am Fussball und Sie machen die Begeisterung erst aus.

Sind Sportjournalisten nun bessere Menschen, weil wir diese Art der Analyse gutheissen und jene der Analysten scheinbar verabscheuen. „Analysten sind Menschen, die nie ein Unternehmen geführt haben und nicht wissen, was es dazu braucht“, meinen Kritiker. Aber das sind die meisten Sportjournalisten auch, kaum einer hat je um einen grossen Titel mitgespielt. Ihnen liegen die Analyse und das Schreiben und so ist es auch mit den Analysten. Verschiedene Charaktere gibt es bei beiden. Wenn wir also das nächste Mal auf die eine oder andere Berufsgattung schimpfen, sollten wir uns bewusst sein, dass wir alle Teil dieser Entwicklungen sind. Wir müssen uns bewegen. In der Wirtschaft hat es Porsche vorgemacht und auf Quartalsergebnisse verzichtet, Swatch sagt Analystenkonferenzen ab und Fussballspieler und Trainer üben sich bisweilen in mehr oder weniger erfolgreichen „silencio stampa“. Reaktionen dieser Art sind und bleiben Einzelaktionen ohne Flächenwirkung. Zu gross ist der innere Zwang, Teil des grossen Markts der Aufmerksamkeit zu sein. Noch schlimmer als schlechte News, sind gar keine. Wer erst einmal in Vergessenheit gerät, ist Weg vom Fenster. Der Verlust an Aufmerksamkeit ist, was alle fürchten.

So gesehen habe Sport und Kapitalismus weit mehr Gemeinsamkeiten als man denkt und doch stören sich Nostalgiker an diesem Fakt. Aufhalten können aber auch Sie die Entwicklung nicht. Nur in einem unterscheiden sich die beiden grundlegend: wenn die Mannschaft nicht erfolgreich ist, dann ist es der Chef sprich Trainer, der gehen muss und nicht die Angestellten. Doch wenn man es genau nimmt, dann scheint sich die Wirtschaft zumindest in dieser Hinsicht, in letzter Zeit etwas vom Sport abgeschaut zu haben.

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