Angst um den (Industrie-) Arbeitsplatz – Gedanken und ein Erklärungsversuch

29 03 2010

Arbeitsplätze in der Industrie werden seit Jahren abgebaut oder in andere Länder verlagert. Neustes Beispiel am Standort Basel ist die Firma Clariant. Tele Basel arbeitet die Situation und die Ängste der Mitarbeitenden über ihre Zukunft im aktuellen Report auf. (Tele Basel Report vom 24. März)

400 Arbeitsplätze sollen ab 2011 abgebaut werden. Der Report zeigt Einzellschicksale und ist sich damit der Anteilnahme der Zuschauer sicher. Wieso kam es aber soweit und was kann man dagegen tun? Nun allgemeine verbindliche Antworten, schon gar nicht solche, welche den Betroffenen kurzfristig helfen, gibt es nicht. Dennoch sei ein Erklärungsversuch, welcher keinesfalls Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, erlaubt.

Vom Industrie- zum Dienstleistungsarbeitsplatz

In den letzten Jahrzehnten hat sich der Standort Schweiz und damit auch der Wirtschaftsstandort Nordwestschweiz gewandelt. Einzigartige Ressourcen sind in einer globalisierten Geschäftswelt unabdinglich. Nun soll es hier keinen Exkurs über das Für und das Wider der Globalisierung geben. Fakt aber ist, keiner kann sich ihr entziehen. Die Schweiz verfügt kaum über natürliche Ressourcen, weshalb Innovation und konkurrenzfähige Produkte sowie ein hoher Bildungsstandort für einen nachhaltigen Erfolg der Wirtschaft zwingend sind. In diesem Sinne hat sich der Werkplatz hin zu einer Dienstleistungsgesellschaft gewandelt. Die Bedeutung der Industrie, also jener Teil der Wirtschaft, welcher gekennzeichnet ist durch die Produktion und Weiterverarbeitung von materiellen Gütern oder Waren in Fabriken und Anlagen, verbunden mit einem hohen Grad an Mechanisierung und Automatisierung, nimmt laufend ab. Neue Arbeitsplätze entstehen vor allem im Dienstleistungssektor.

Im Jahre 2006 arbeiten gemäss Bundesamt für Statistik fast 73% aller Erwerbstätigen in der Schweiz im Dienstleistungssektor, womit die Schweiz über dem europäischen Durchschnitt liegt, getoppt nur von Ländern wie Grossbritannien (76,7%), den Niederlanden (76,3%) und Schweden (75,8%). Nur noch 23 % sind in der klassischen Industrie angestellt. Die Entwicklung wird kaum zu stoppen sein. Ein Ausbau von Industriearbeitsplätzen scheint aktuell nicht realistisch, es gilt in den nächsten Jahren diese solange zu erhalten, wie es betriebswirtschaftlich verkraftbar ist.

Lebenslanges Lernen

„Man lernt nie aus“, ist ein altes und internationales Sprichwort das auf das lebenslange Lernen hinzielt. Dazu sind aber meines Erachtens zwei Grundvoraussetzungen elementar.

Zum einen wäre dies ein möglichst freier, unabhängig von sozioökonomischen Grundvoraussetzungen, Zugang zur Bildung. Hier arbeiten wir in der Schweiz immer noch daran. Zum andern impliziert dieses Sprichwort auch eine mentale Komponente und eine gegenüber früheren Jahren veränderte Einstellung zur Arbeit. DEN Arbeitgeber für ein Leben gibt es heute kaum mehr und man sollte sich als Arbeitnehmer auch nicht darauf verlassen. Wer heute in die Arbeitswelt eintritt, sollte sich als selbst als „Unternehmen“ sehen, das gewissen Fähigkeiten besitzt, erlernt und weiterentwickelt und diese im Laufe einer Karriere für eine gewissen Zeitraum verschiedenen Arbeitgebern zur Verfügung stellt. Dies erfordert ohne Zweifel ein Umdenken und ständiges Anpassen an neue Situationen.

Seit dem Eintritt ins Berufsleben vor fast 20 Jahren war ich mit zwei Konkursen und einer Übernahme meines damals jeweils aktuellen Arbeitgebers konfrontiert. Arbeitsplatzverlust, Arbeitslosigkeit und Neuorientierung sind deshalb immer wieder Situationen, denen ich mich stellen musste. Sicherlich fällt dies einem als jüngerer Arbeitnehmern einfacher. Aber auch ich werde älter. Trotzdem denke ich, dass man auch als älterer Arbeitnehmer anders mit einer solchen Situation umgeht, wenn man von Anfang an damit aufgewachsen ist.

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, auch im Berufsleben. Ein Rezept gegen den drohenden Arbeitsplatzverlust ist deshalb auch, sich auf den Bruch von Gewohnheiten auch „kopfmässig“ einzustellen. Das schützt zwar bisweilen nicht vor dem Arbeitsplatzverlust, hilft aber, besser damit umgehen zu können und sich neu zu orientieren. Doch eines ist auch klar, eine für alle zufrieden stellende Lösung gibt es nie. Vollbeschäftigung für alle ist und bleibt eine Utopie.

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